Prof. Dr. Sigrid Arnade und Prof. Dr. Michael Zander am 21.05.2025
7. Veranstaltung der HU-Körperdiskurse
Vortragsabend mit anschließender Diskussion
Körper, Konventionen, Kämpfe gegen rechts
Behinderte Menschen zwischen Rechtssetzung und Rechtspopulismus
21.05.2025, 18:00–20:00 Uhr (digital)
Humboldt-Universität zu Berlin
Dieser Vortragsabend ist Teil der Dialogreihe HU_Körperdiskurse des Lehrbereichs Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung (Prof. Dr. Sven Jennessen) in Kooperation mit dem Zentrum für Inklusionsforschung Berlin (ZfIB).
Frau Prof.in Dr. Sigrid Arnade führt in diesen Körperdiskursabend ein. Sie erläutert zunächst das Konzept des Ableismus als eine Form des Biologismus und zeigt auf, wie behinderte Menschen und insbesondere behinderte Frauen davon betroffen sind und welche Diskriminierungen sie in der Folge erleben. In einem historischen Abriss wird sodann die Diskriminierung behinderter Menschen im Wandel der Zeiten sowie die Erfolge der Behindertenbewegung bis hin zur Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dargestellt. Schließlich wird der Blick auf die aktuellen Herausforderungen in einer kaum zu Veränderungen bereiten Gesellschaft in Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus gelenkt. Verbunden damit geht es um die Frage, wie diese Entwicklungen ausgebremst und umgekehrt werden können.
Herr Prof. Dr. Michael Zander stellt nachfolgend die Auswirkungen der Positionen der AFD auf die Behindertenpolitik dar. Er beschreibt wie die teils rechtspopulistische, teils neofaschistische AfD im zurückliegenden Bundestagswahlkampf vor allem mit migrationsfeindlichen und „völkischen“, d.h. rassistischen Positionen von sich reden gemacht hat. Allerdings versucht sie darüber hinaus, weitere Politikfelder zu besetzen, darunter die Behindertenpolitik. Gegenwärtig lassen sich drei Tendenzen in der Behindertenpolitik der AfD ausmachen, die im Rahmen des Vortrags erläutert werden sollen: Erstens Ausgrenzung, etwa wenn schulische Inklusion als „Ideologieprojekt“ diffamiert wird, zweitensInstrumentalisierung von Behinderung und Krankheit, die sich vor allem gegen Flüchtlinge richtet, und drittens die Vereinnahmung behinderter Menschen für die nationalistischen und antidemokratischen Gemeinschaftsvorstellungen der Partei. Zu diskutieren sind die Ursachen für den Aufstieg der AfD und anderer rechter Kräfte sowie die Gefahren, die sich daraus nicht nur für behinderte und chronisch kranke Menschen ergeben.
Referent*innen
Prof. Dr. Sigrid Arnade ist eine renommierte Aktivistin und Expertin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Als gelernte Tierärztin engagiert sie sich seit Jahrzehnten in der Behindertenbewegung und hat maßgeblich zur Entwicklung und Umsetzung wichtiger behindertenpolitischer Meilensteine beigetragen. Ihre beeindruckende Karriere umfasst die Mitwirkung bei den Verhandlungen zur UN-Behindertenrechtskonvention in New York, ihre aktuelle Position als Vorsitzende des Sprecherinnenrats des Deutschen Behindertenrats (DBR) sowie ihre ehemalige Tätigkeit als Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL). Seit 2015 ist sie zudem Sprecherin der LIGA Selbstvertretung. Besonders hervorzuheben ist ihre entscheidende Rolle bei der Aufnahme des Benachteiligungsverbots für behinderte Menschen ins Grundgesetz 1994. Prof. Dr. Arnade hat die behindertenpolitische Diskussion in Deutschland maßgeblich geprägt, insbesondere in den Bereichen Ableismus, Rechte behinderter Frauen, Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zuletzt in der Triage-Debatte während der Corona-Pandemie.
Prof. Dr. Michael Zander war nach Abschluss des Diploms in Psychologie an der Freien Universität Berlin im Jahr 2003 von 2008 bis 2011 als Mitglied des Projekts "Neighbourhood" am Institut für gerontologische Forschung (IGF Berlin) tätig. 2015 promovierte er im Fach Psychologie an der FU Berlin. Seit 2014 hatte Michael Zander eine Vertretungsprofessur für "System der Rehabilitation" im Fach Rehabilitationspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal inne. Im Jahr 2024 wurde ihm eine Professur für Disability Studies, Inklusion und Psychologie verliehen. Er ist in zahlreichen Fachgesellschaften und Organisationen aktiv und Mitglied der Gesellschaft für subjektwissenschaftliche Forschung und Praxis, des Vereins Disability Studies Deutschland e.V., des Aktionsbündnisses Teilhabeforschung und des Netzwerks Partizipative Gesundheitsforschung. Darüber hinaus engagiert er sich im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie in der Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen. In seiner redaktionellen Tätigkeit ist Prof. Zander sowohl für das Forum Kritische Psychologie - Neue Folge als auch für den Newsletter Behindertenpolitik tätig.
Kostenfreier Onlinezugang zur Veranstaltung über folgenden Link:
Zu den Vorträgen wird eine automatische Dolmetschung in Schriftsprache angeboten.
Die Veranstaltungsreihe HU-Körperdiskurse
Der Körper hat in unserer Gesellschaft eine bis dato nicht gekannte Bedeutung erlangt. Er wird ausgestellt, gestaltet, präsentiert und zugerichtet und im täglichen Leben als Abbild gesellschaftlicher Praktiken erfahrbar. Auch wissenschaftlich ist der Körper in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in der Soziologie zunehmend in den Blick des Interesses gelangt. Pädagogisch ist die Bedeutung des Körpers für Entwicklung, Bildung und Teilhabe bislang jedoch nur marginal beachtet worden, wobei Fragen diverser Körper im Zusammenhang mit anderen Diversitätsdimensionen zunehmend in den Blick geraten und im Kontext intersektionaler Zugänge gedacht werden.
Auf Grundlage dieser Entwicklungen soll die Dialogreihe HU_Körperdiskurse eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Perspektiven auf den differenten Körper ermöglichen, der in der Regel als in unerwünschter Weise anders interpretiert wird. Hierbei werden verschiedene fachwissenschaftliche Perspektiven von renommierten Vertreter*innen ihrer Disziplin vorgestellt und in einem sich daran anschließenden diskursiven Format reflektiert. Die unterschiedlichen fachlichen Referenzen eröffnen grundlegende Rekonstruktionen von Körper, die dann im Hinblick auf diverse Körper weitergedacht werden.
Veranstalter
Lehr-und Forschungsbereich „Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung“
Das Fach befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen der individueIIen körperlich-motorischen Verfasstheit eines Menschen, und seinen anderen personalen sowie interpersonellen, institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen, die die Durchführung von Aktivitäten und Partizipation an gesellschaftlichen Bezügen erschweren. Weitere Informationen zum Lehrbereich finden Sie hier: https://www.reha.hu-berlin.de/de/lehrgebiete/kbp .
Das Zentrum für Inklusionsforschung Berlin (ZfIB)
Das Zentrum für Inklusionsforschung Berlin (ZfIB) wurde am 17. Januar 2018 gegründet. Seine Mitglieder und Kooperationspartner*innen kommen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen, zivilgesellschaftlichen und politischen Bereichen und Einrichtungen innerhalb und außerhalb Berlins. Mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen arbeiten und/ oder forschen sie zu Inklusion und Exklusion bezogen auf verschiedene Differenzlinien und deren Konstruktion. Dabei sind drei Anliegen für das ZfIB zentral:
- die Entwicklung und Ausweitung dauerhafter Kooperationen zwischen wissenschaftlichen,zivilgesellschaftlichen und politischen Akteur*innen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene,
- die Stärkung einesInklusionsbegriffs, der verschiedene Formen gesellschaftlicher Diskriminierungs-, Ausgrenzungs- und Partizipationsprozesse in den Blick nimmt und
- die Einrichtung einer langfristigen, interdisziplinären Forschungsstruktur.
Weitere Informationen zum Zentrum für Inklusionsforschung finden Sie hier: https://www.zfib.org/de/ .